Trotz nach wie vor ungeklärter Fragen im Gesundheits- und Pflegesystem ist der Start des ehrgeizigen Projektes geglückt.
Im Februar 2023 starteten die Städtischen Pflegeheime mit dem neuen Angebot von 24 ganzjährig vorgehaltenen Kurzzeitpflegeplätzen im denkmalgeschützten Teil des Pflegeheimes Obertor. Damit reagierten die Städtischen Pflegeheime als kommunaler Pflegeanbieter auf eine eklatante Lücke im Pflegesystem, es gibt bis heute viel zu wenige Kurzzeitpflegeplätze. „Allerdings sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere zur Finanzierung und Personalausstattung, nach wie vor nicht vollständig geklärt“, bemängelt Thilo Naujoks, Geschäftsführer der Städtischen Pflegeheime. „Dennoch können wir nach einem Jahr therapieorientierter Kurzzeitpflege eine überaus positive Bilanz ziehen.“
380 Kurzzeitpflegegäste konnten seit Februar 2023 in der neuen Kurzzeitpflegeeinrichtung aufgenommen werden, der weitaus größte Teil kam direkt nach der Akutversorgung aus dem Klinikum Esslingen. Hierin liegt auch der größte Vorteil für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige. Das intensive Zusammenspiel zwischen Klinikum und Pflegeheim ist eine große Erleichterung, da mit dem neuen Angebot die Übergangsversorgung bis zu einem Reha-Antritt oder bis die häusliche Pflege organisiert und möglich ist, gesichert werden kann; gerade dann, wenn eine Entlassung aus dem Klinikum von “heute auf morgen“ ansteht. Von den 24 Kurzzeitpflegeplätzen stehen alleine dem Klinikum Esslingen 18 Betten zur Verfügung.
Die Folge sind bis zu 10 Neuaufnahmen pro Woche und eine deutliche Zunahme der Behandlungspflege. Aber das Pflegeteam ist mit dieser neuen Herausforderung großartig gewachsen und kann viele Erfolge vorweisen. „Nicht eine Pflegekraft hat in diesem Jahr aufgegeben, alle sind hochmotiviert an die neue Aufgabe herangetreten“, freut sich Holm Flatter, der Leiter der Kurzzeitpflege.
Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit der Praxis für Physiotherapie, der Verstärkung des Pflegeteams durch eine angestellte Ergotherapeutin und der Umsetzung des Kinaesthetic-Ansatzes, geht v.a. das Konzept der therapieorientierten Pflege auf. „Wir bieten nicht nur Pflege auf Zeit, sondern bereiten unsere Kurzzeitpflegegäste gezielt auf die Anschlussversorgung vor“, freut sich Silvio Schuster, Pflegekoordinator der Städtischen Pflegeheime. „Das ist etwas, was wir in der stationären Langzeitpflege sonst nicht leisten können.“
Der Erfolg bestätigt den neuen Ansatz: 90 % der Kurzzeitpflegegäste traten anschließend eine Reha an oder konnten in die eigene Häuslichkeit zurückkehren. Aber auch bei einem anschließenden Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung profitieren die Kurzzeitpflegegäste von der aktivierenden Pflege. Ohne einen guten Casemanager, der während des ersten Betriebsjahrs noch seine Weiterbildung erfolgreich absolviert hat und eng mit dem Krankenhaussozialdienst zusammenarbeitet, wäre dieser reibungslose Ablauf nicht möglich.
Die solitäre Kurzzeitpflege bewegt sich zwischen den leider oftmals nicht kompatiblen Systemen unseres Gesundheits- und Pflegesystems – zwischen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung einerseits sowie zwischen der ambulanten und stationären Versorgung andererseits. Da tun sich leider noch viele Störfelder auf, etwa bei der Versorgung mit Medikamenten bei einer Verlegung am Wochenende, im Rezeptmanagement, bei der Versorgung mit Inkontinenzmaterial oder bei der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. So wäre die erfolgreiche Umsetzung des Projektes ohne die Unterstützung einer Portalpraxis nicht möglich gewesen.
„Wenn die Not und die Unterversorgung aber derart zunehmen, wie das bei der fehlenden Kurzzeitpflege der Fall war, muss man manchmal einfach anpacken, ohne dass im Vorfeld alles geklärt werden kann“, ist Thilo Naujoks nach wie vor überzeugt. „Dazu braucht es aber engagierte Pflegekräfte, motivierte Mitstreiter, auch in der Hauswirtschaft und Verwaltung, sowie gute Kooperationspartner.“
Jetzt geht es darum, Lösungen für die „Störfelder“ zu finden, die Kurzzeitpflege bundes- und landesweit weiterzuentwickeln und konzeptionell zu verankern.
Der Eigenbetrieb Städtische Pflegeheime Esslingen am Neckar ist Träger der Pflegeheime Obertor, Berkheim, Pliensauvorstadt, Hohenkreuz und Oberesslingen mit insgesamt 355 Pflegeplätzen inkl. einer therapieorientierten Kurzzeitpflege mit ganzjährig vorgehaltenen Plätzen. An allen Standorten gibt es öffentliche Cafés mit dem Angebot eines Mittagstisches. Die Städtischen Pflegeheime betreiben zudem die Tagespflegeeinrichtungen im Obertor, am Zollernplatz, in Hohenkreuz und Oberesslingen mit insgesamt 54 Plätzen. Zudem sind die Städtischen Pflegeheime Betreuungsträger für zwei Anlagen des Betreuten Wohnens in Berkheim mit 22 und in der Pliensauvorstadt mit 28 Appartements.